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Chancengleichheit oder Chancenungleichheit in der Bildung?

Studiendaten der sogenannten TREE-Studie der Universität Bern könnten dahingehend interpretiert werden, dass es in der Schweiz keine Chancengleichheit bei der Bildung gibt, sondern Chancenungleichheit herrscht. So behauptet der Tagesanzeiger wegen der TREE-Daten, dass Kinder von Akademikern doppelt so grosse Chancen auf einen Uni-Abschluss hätten als Kinder von Nicht-AkademikerEltern.

Es sollte aber zumindest hinterfragt werden, ob es angesichts von Förderungsmöglichkeiten und Stipendien sowie Eigeninitiative am Ende gar keine Frage der elterlichen Ausbildung ist, wie hoch die eigenen Chancen auf einen UniAbschluss sind, sondern eher eine Frage des richtigen Vorgehens und des eigenen Wollens.

Im folgenden Beitrag erklären wir, was mit Chancengleichheit gemeint ist (Definition), stellen die Studiendaten zur Chancenungleichheit in der Schweiz dar, stellen die Schlussfolgerungen aus der TREE-Studie in Frage und zeigen die Vorteile eines akademischen Abschlusses an Universität, Pädagogischer Hochschule beziehungsweise Eidgenössischer Technischer Hochschule auf.

Inhaltsverzeichnis

  1. Definition von Chancengleichheit bzw. Chancenungleichheit in der Bildung
  2. Studiendaten zur Chancengleichheit im Schweizer Bildungssystem
  3. Hinterfragen der Schlussfolgerung aus der TREE-Studie
  4. Vorteile eines akademischen Abschlusses an Uni, ETH oder PH

1. Definition von Chancengleichheit bzw. Chancenungleichheit in der Bildung

Die Chancenungleichheit im Bildungswesen wurde in der Neuzeit mit dem Gleichheitsgedanken der französischen Revolution erstmals als grosses gesellschaftliches Problem erkannt. Als Lösung wurde 1793 ein kostenloses Schulwesen in Frankreich eingerichtet, wobei der Besuch der Schule für Jungen und Mädchen zur Pflicht wurde. Chancengleichheit wurde schon zu jener Zeit als Voraussetzung betrachtet, um in der Lage zu sein, seine bürgerliche Freiheit in Anspruch zu nehmen, und seinen staatsbürgerlichen Verpflichtungen nachkommen zu können.

Bei der Definition der Begriffe Chancengleichheit beziehungsweise im Umkehrschluss Chancenungleichheit bei Nichtvorliegen der Definitions-Kriterien gibt es verschiedene Ansätze.

Nach einer Definition des deutschen Soziologen Prof. Dr. Stefan Hradil liegt Chancengleichheit dann vor, wenn «der Erwerb von Bildungsgraden und die dadurch erfolgende Verteilung von Lebenschancen so [erfolgt] [...], dass sie sich ausschliesslich an der individuellen Leistung bemessen.» (Hradil, Stefan: Soziale Ungleichheit in Deutschland, Wiesbaden 2001, 8. Auflage, Nachdruck 2005, S. 152.)

Oder anders ausgedrückt: Chancengleichheit liegt nur vor, wenn Kriterien wie Geschlecht, soziale Herkunft, Einkommen der Eltern, Bildungsgrad der Eltern, ethnische Zugehörigkeit, Religion und so weiter keinen messbaren Einfluss auf die Leistungen und Erfolge des jeweiligen Individuums im Bildungssystem haben.

2. Studiendaten zur Chancengleichheit im Schweizer Bildungssystem

Dass es um die Chancengleichheit im Schweizer Bildungswesen schlecht bestellt ist, wird schon länger diskutiert, etwa nach dem internationalen Schulleistungsvergleich PISA im Jahr 2018.

Nun sind Studiendaten bekannt geworden, die das Problem der Chancenungleichheit im Schweizer Bildungssystem bestätigen würden. Jedenfalls behauptet das die Schweizer Zeitung Tagesanzeiger, die Zahlen aus den Forschungsdaten der TREE-Studie vorgestellt hat und daraus geschlossen hat, dass Kinder von Akademiker-Eltern bessere Bildungs-Chancen hätten als Kinder von Nicht-Akademiker-Eltern. Konkret behauptet der Tagesanzeiger, dass Akademiker-Kinder doppelt so hohe Chancen hätten, einen Universitäts-Abschluss zu erlangen, wie Nichtakademiker-Kinder.

Bei TREE (Transitionen von der Erstausbildung ins Erwerbsleben) handelt es sich um eine gesamtschweizerische Langzeitstudie der Universität Bern, bei der der Übergang (Transition) Jugendlicher von der Schule in das Erwachsenenalter untersucht wird, wobei der Fokus auf den Ausbildungs- und Erwerbsverläufen nach der obligatorischen Schule liegt.

Beim Abschluss der obligatorischen Schule mit 16 Jahren liegen Akademiker-Kinder und Nicht-Akademiker-Kinder gemäss den TREE-Studiendaten noch gleich auf, wonach die Abschlussquote in dieser Altersklasse jeweils 100 Prozent beträgt.

Im Alter von 20 Jahren zeigen die Daten der TREE-Studie jedoch bereits erhebliche Unterschiede in Bezug auf die Bildungsabschlüsse. Bei den Nicht-Akademiker-Kindern schliessen 47 Prozent die Lehre ab, während es bei den Akademiker-Kindern nur 23 Prozent sind. Das Gymnasium wird nur von 14 Prozent unter den Nicht-AkademikerKindern abgeschlossen. Bei den Akademiker-Kindern sind es hingegen 38 Prozent.

Mit 30 Jahren dann gibt es auch erhebliche Unterschiede bei der Ausbildung an Fachhochschule und Universität. Während nur 8 Prozent der Nicht-Akademiker-Kinder in dieser Altersklasse einen Bachelor-Abschluss gemacht haben, sind es bei den Akademiker-Kindern 15 Prozent. Den Master-Abschluss beziehungsweise das Doktorat haben im Alter von 30 Jahren nur 11 Prozent der Kinder von Nicht-Akademikern geschafft, wohingegen es bei den Kindern von Akademikern 25 Prozent sind.

Die Autoren des Tagesanzeiger-Artikels untermauern ihre These, wonach es einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den TREE-Studiendaten und den Bildungschancen in der Schweiz gebe, mit Stimmen aus der Wissenschaft, wonach Bildungsforscherin Prof. Dr. Margrit Stamm die Unterschiede bei den Bildungsabschlüssen unter Akademiker-Kindern und Nicht-Akademiker-Kindern damit erklären würde, dass Kinder im Schweizer Schulsystem die Unterstützung der Eltern bräuchten, um erfolgreich zu sein. Dabei würden Nicht-Akademiker-Kinder im Nachteil sein, weil deren Eltern nicht in der Lage seien, zu helfen, weder schulisch noch finanziell durch das Bezahlen von Nachhilfeunterricht. Ausserdem würde eine Aufstiegsangst herrschen, die durch das Entmutigen seitens der Eltern verursacht sein könnte, wenn diese einen glauben machen, man sei etwas besseres, will man an die Uni gehen. Auch Lehrkräfte könnten die Ursache für die Aufstiegsangst sein, wenn diese einem einreden, man würde den Anforderungen etwa am Gymnasium nicht gewachsen sein.

Unterstützung für ihre These der Chancenungleichheit erhalten die Tagesanzeiger-Autoren auch von der Ko-Studienleiterin der TREE-Studie, Dr. Sandra Hupka-Brunner, die behauptet, dass Eltern meist wollten, dass es den Kindern genauso gut gehe wie den Eltern, Akademiker-Eltern daher wünschten, dass ihre Kinder auch Akademiker würden und diese Kinder entsprechend fördern würden.

3. Hinterfragen der Schlussfolgerung aus der TREE-Studie

Ob die Schlussfolgerung aus den TREE-Studiendaten durch den Tagesanzeiger haltbar ist, wonach Chancenungleichheit im Schweizer Bildungssystem herrschen würde, sollte zumindest hinterfragt werden. Die Grundannahme, dass Nicht-Akademiker-Eltern über zu wenig Geld verfügen würden, und deshalb ihren Kindern keinen Nachhilfeunterricht zahlen könnten, kann man zum Beispiel nicht pauschalisieren. Denn auch als Handwerker kann man sehr gut in der Schweiz verdienen. Als Unternehmer sind die Verdienstmöglichkeiten im Vergleich zum angestellten Akademiker häufig sogar um einiges besser.

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Aber selbst wenn die Eltern von Nicht-Akademiker-Kindern nicht über ausreichend Geld zur Förderung ihrer Kinder verfügen sollten, heisst das nicht, dass es keine anderen Förderungsmöglichkeiten gibt, etwa über die Inanspruchnahme von Stipendien. In einem Kommentar zum Tagesanzeiger-Artikel «Die Schule diskriminiert Kinder aus bildungsfernen Haushalten» ist ausserdem zu lesen, dass die kommentierende Person aus einem Nicht-Akademiker-Haushalt stammen würde und neben dem Vollzeit-Studium arbeiten gegangen sei, während deren Nicht-Akademiker-Eltern das Studieren als zu teuer bewerteten. Das Arbeiten neben dem Studium mag zwar nicht ideal sein, aber auch dieses Beispiel zeigt, dass Eigeninitiative und Durchsetzungsvermögen gegenüber den Eltern dazu führen können, sich von seiner sozialen Herkunft zu entkoppeln.

Immer wieder wird auch behauptet, dass Nicht-Akademiker-Eltern ihre Kinder nicht dazu animieren würden, ans Gymnasium zu gehen. Dabei gehört im Leben eben auch Eigeninitiative dazu und es ist daher immer auch eine Frage des Einzelfalles, ob ein Kind diese Eigeninitiative zeigt und sich selbst dazu motiviert, einen höheren Bildungsabschluss zu erwerben als den der Eltern.

Ein anderer Kommentar zum erwähnten Tagesanzeiger-Artikel hinterfragt schon die Artikel-Überschrift «Die Schule diskriminiert Kinder aus bildungsfernen Haushalten». Kritisiert wird die Wortwahl «bildungsfern», weil auch Eltern ohne Uni-Abschluss durchaus eine gute Ausbildung haben können, etwa über die Berufsmatura und ein Studium an einer Fachhochschule. Jemand anderes stört sich an der Wortwahl «diskriminiert» und meint, dass die Schule niemanden diskriminieren würde, sondern allenfalls Kinder durch die soziale Herkunft benachteiligt seien.

4. Vorteile eines akademischen Abschlusses an Uni, ETH oder PH

Wer an einer Schweizer Universität, einer Pädagogischen Hochschule (PH) oder einer Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) studieren möchte, also einen akademischen Abschluss erlangen will, benötigt die gymnasiale Matura. Aber was sind die Vorteile eines akademischen Abschlusses im Vergleich etwa zum Abschluss einer Lehre.

Einer der Vorteile, sich für den akademischen Weg zu entscheiden, liegt darin, dass man sich länger Zeit lassen kann, für welche genaue Berufsrichtung man sich entscheidet. Wer eine Lehre macht, muss sich in der Regel mit 16 entscheiden, für welchen konkreten Beruf er sich ausbilden lassen möchte. Wenn man aber an Uni, ETH oder PH studieren möchte, muss man zunächst das Gymnasium abschliessen und erst danach, also in der Regel erst mit 18 oder 19 Jahren, entscheiden, was man studieren möchte.

Ein weiterer Vorteil des Akademikers ist, dass man die Chance auf gut bezahlte Positionen etwa in Grossbetrieben oder beim Staat hat, die zwar auch grosse Verantwortung (etwa Personalverantwortung) und Stress bedeuten können, aber kein unternehmerisches Risiko abverlangen, was am Ende weniger Belastung für den Arbeitnehmer bedeutet. Um auf ein ähnlich hohes Einkommensniveau wie Akademiker zu kommen, müssen sich Absolventen mit einer Lehre in der Regel selbständig machen, also ein Unternehmen mit mehreren Angestellten gründen. Das aber bedeutet wesentlich mehr Verantwortung und Stress denn als angestellter Akademiker, weil man als Unternehmer immer auch das Risiko trägt, im schlimmsten Fall insolvent zu gehen. Gerade beim Staat ist man als Akademiker im Vergleich dazu sogar noch zusätzlich abgesichert, da eine Insolvenz des Staates meist nicht zu befürchten ist. Und selbst bei systemrelevanten Unternehmen kann im Insolvenzfall gehofft werden, dass diese vom Staat gerettet werden.

Zu bedenken ist auch, dass das gesellschaftliche Ansehen gegenüber Akademikern bis heute grösser ist im Vergleich zu anderen Abschlüssen, was bei einigen Schülern und Eltern als Vorteil betrachtet werden kann.

Alles in allem kann man also sagen, dass der Vorteil eines akademischen Abschlusses und der damit möglichen Berufe in höherer Sicherheit und grösserem Ansehen liegt, was zu einer höheren Lebensqualität führen kann. Die Höhe des Verdienstes ist hier nicht unbedingt ausschlaggebend, da man auch als Handwerker in leitender Funktion oder Unternehmer sehr gut in der Schweiz verdienen kann, Letztere oft sogar noch besser als angestellte Akademiker.

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