Privatschulen in der Schweiz: Gibt es wirklich einen Privatschul-Boom?
Privatschulen gibt es in der Schweiz in vielen Gemeinden und Kantonen, darunter Zürich, Aargau, Winterthur, Bern und St. Gallen. Aber gibt es - wie oft behauptet - einen Privatschul-Boom in der Schweiz?
Im folgenden Artikel geben wir Einblick in die Zahlen zu den Schweizer Privatschulen und Privatschülern, geben wichtige Gründe an, warum Eltern ihre Kinder in Privatschulen schicken und erklären die Privatschule-Kosten.
Inhaltsverzeichnis
- Anteil der Privatschüler in der Schweiz
- Warum Privatschule?
- Wie viel kostet eine Privatschule in der Schweiz?
1. Anteil der Privatschüler in der Schweiz
Laut dem Statistik-Portal Statista betrug der schweizweite Anteil der Schüler an Privatschulen in Bezug auf alle Bildungsstufen (obligatorische Schule bis Tertiärstufe) in den letzten Jahren konstant um die 6 Prozent.
Betrachtet man nur die obligatorische Schulzeit ist der Anteil der Privatschüler in der Schweiz niedriger, etwa im Schuljahr 2019/2020 bei 4,6 Prozent, wie man im Bildungsbericht Schweiz 2023 der Schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung nachlesen kann.
In Bezug auf die Privatschüler in der ganzen Schweiz und alle Bildungsstufen bzw. die obligatorische Schulzeit zusammen betrachtet kann man also keinen PrivatschulBoom erkennen. Und doch gibt es Zahlen, die für einen Boom sprechen. So hat sich die Zahl der Privatschulen - nicht der Privatschüler - innerhalb von zehn Jahren mit einer Zunahme von über die Hälftestark erhöht. Im Jahr 2022/2023 lag der Anteil von Privatschulen in der Schweiz laut dem Bundesamt für Statistik bei 16,7 Prozent, und zwar in Bezug auf Sonderschulen, Primarstufe, Sekundarstufe I, Sekundarstufe II und Tertiärstufe.
Bedenken muss man auch, dass es starke regionale Unterschiede bei den Privatschul-Quoten gibt sowie im Vergleich von inländischen und ausländischen Schülern; bei Letzteren ist der Privatschüleranteil fast doppelt so hoch wie inländischen Schülern, wie sich aus dem Bildungsbericht Schweiz 2023 der Schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung ergibt, wobei das insbesondere auf Schüler zutrifft, deren Eltern einen hohen Bildungsstand haben. Beide Faktoren - regionale und internationale Herkunft - sind teilweise gekoppelt, weil die ausländischen Schüler sich mitunter in bestimmten Regionen in der Schweiz konzentrieren, etwa die Kinder von gut ausgebildeten Expats in bestimmten Gebieten der Stadt und des Kantons Zürich.
Regional kommen besonders viele Privatschüler aus vermögenden Gemeinden, etwa aus Küsnacht, Kilchberg oder vom Zürichberg. In der Gemeinde Zumikon ist sogar jeder fünfte Primarschüler auf einer Privatschule.
Der Anteil von Privatschülern wäre in der Schweiz aber noch viel höher, wenn es sich alle leisten könnten, auf eine Privatschule zu gehen. Denn die Popularität von Privatschulen sei deutlich grösser geworden, wie Bildungsforscherin Professor Margrit Stamm sagt.
Einen Boom der Privatschul-Quote beobachtet Margrit Stamm insbesondere im Bereich der Berufsbildung, also bei Privatschulen, die einen Fokus auf die Berufslehre legen wie Kaufmann, Informatiker oder medizinischer Praxisassistent.
Andere beobachten einen grösseren Boom bei privaten Maturitätsschulen. Ein solches Privat-Gymnasium stellt zum Beispiel eine Alternative für Kinder dar, die die Aufnahmeprüfung ins öffentliche Gymnasium nicht bestanden haben. Ein Grund, warum gerade in diesem Bereich eine Zunahme zu beobachten ist, kann darin liegen, dass nur Privatschulen, die Unterricht für die obligatorische Schulzeit anbieten, einer staatlichen Bewilligung bedürfen. Für eine Privatschule auf Maturitätsstufe ist keine Bewilligung erforderlich.
Ein enormer Boom bei Privatschulen ist auf Sekundarschul-Stufe zu beobachten. Gegenüber dem Tagesanzeiger erklärte die Schulpräsidentin Jacqueline Peter des Zürcher Schulkreises Uto die dortige Privatschüler-Quote von fast 27 Prozent unter den Sekundarschülern so, viele Eltern gingen scheinbar davon aus, dass die Kinder an einer privaten Sekundarschule besser auf die Gymiprüfung fürs Kurzgymnasium vorbereitet würden.
2. Warum Privatschule?
Gründe, eine Privatschule zu besuchen, gibt es viele. Manche Eltern und/oder Schüler entscheiden sich für eine Privatschule aus weltanschaulichen Gründen, etwa weil sie eine antiautoritäre Erziehung mit einer freieren Lernatmosphäre oder eine bestimmte alternative Lebensweise bevorzugen. Manche entscheiden sich auch für den Besuch einer Privatschule mit einer bestimmten religiösen Ausrichtung. Die Auswahl unter den Privatschulen kann also vielfältig sein. Für den Besuch einer speziellen Privatschule müssen die Schüler unter Umständen aber einen längeren Schulweg in Kauf nehmen.
In einer Studie wurden Eltern gefragt, warum sie ihre Kinder an eine Privatschule schicken wollen. Als Antwort gaben die Befragten unter anderem an, dass sie von einer Privatschule weniger Leistungsdruck sowie eine individuellere Förderung erwarten und sich eine bessere Betreuung versprechen. In Privatschulen ist es zum Beispiel üblich, dass die Hausaufgaben in der Schule erledigt werden.
Es gibt auch immer wieder Berichte, dass Eltern ihr Kind zur Privatschule schicken, weil es in der öffentlichen Schule gemobbt wird. Ein Grund, warum Mobbing an Privatschulen seltener ist, kann im energischeren Durchgreifen gegen mobbende Kinder liegen, die frühzeitig verwarnt und von der Schule ausgeschlossen werden, sollten sie sich nicht bessern.
Auch kann man mitunter beobachten, dass Kindern aus ärmeren Gemeinden bzw. Stadtteilen trotz guter Schulnoten von Lehrern empfohlen wird, eine gute Lehrstelle zu finden, etwa als Kaufmann oder Informatiker. In reicheren Gemeinden würde Schülern mit gleichwertigen Leistungen das Gymnasium empfohlen. Kindern aus ärmeren Verhältnissen wird also teilweise unterstellt, zu hohe Ambitionen zu haben, wenn sie ans Gymnasium gehen wollen. Als Ausweg bietet sich den Eltern an, ihre Kinder an eine Privatschule zu schicken.
Folgende Artikel könnten Sie auch interessieren:
3. Wie viel kostet eine Privatschule in der Schweiz?
Die Kosten für den Besuch einer Privatschule sind in der Regel hoch - etwa für den Besuch einer privaten Primarschule oder einer Privatschule auf Sekundarstufe. Man muss pro Schuljahr mit circa 30'000 CHF rechnen, weshalb Privatschulen meist nur von Kindern besucht werden, deren Eltern sehr gute Einkommen und/oder ein entsprechendes Vermögen haben. Die Kosten für ein Privat-Gymnasium sind teilweise günstiger.
Zwar mag ein Schulgeld von 30'000 CHF pro Jahr teuer erscheinen, aber diese Privatschule-Kosten lassen sich einfach erklären. Denn man muss bedenken, dass die Privatschule die Lehrer bezahlen muss, die Kosten für die Schulräume trägt und Verwaltungskosten für die Organisation des Schulbetriebes hat.
Verwendete Links:
https://www.skbf-csre.ch/fileadmin/files/pdf/bildungsberichte/2023/BiBer_2023_D.pdf
https://www.skbf-csre.ch/fileadmin/files/pdf/bildungsberichte/2023/BiBer_2023_D.pdf
https://www.lern-forum.ch/blog/vorbereitung-fuer-gymipruefung-noetig-fuer-bestehen
https://www.lern-forum.ch/blog/macht-gymi-druck-eltern-kinder-krank
https://www.lern-forum.ch/blog-lern-forum/schulkarriere-aargau-planen-auf-fuenfte-klassekommt-es-an
https://www.lern-forum.ch/blog/alternative-gymipruefung-eltern-ziehen-von-zuerich-nachaargau
https://www.lern-forum.ch/gymivorbereitung-zuerich/langgymnasium/anmeldung
https://www.lern-forum.ch/gymivorbereitung-zuerich/kurzgymnasium/anmeldung
https://www.lern-forum.ch/kurse-aargau/kantonsschule/anmeldung
Gymi-Probezeit am Langzeitgymnasium in Zürich noch härter als Gymiprüfung
Schon die Vorbereitung auf die Gymiprüfung am Langzeitgymnasium im Kanton Zürich ist hart, aber die Gymi-Probezeit am Langgymnasium ist noch anspruchsvoller. Das liegt unter anderem daran, dass die Schüler in der ersten Klasse am Langgymi Fächer wie…
Alternative Gymiprüfung: Eltern ziehen von Zürich nach Aargau
Als Alternative zur Gymiprüfung in Zürich haben Zürcher Eltern den Umzug in den Kanton Aargau entdeckt, wo es grundsätzlich keine Gymiprüfung (Kantiprüfung) gibt. Durch diese Umgehung können die Zürcher Eltern ihren Kindern die Gymiprüfung ersparen.
Kanti-Aufnahmeprüfung im Kanton Aargau in bestimmten Fällen
Grundsätzlich können im Kanton Aargau diejenigen Schüler prüfungsfrei an die Kantonsschule (Gymnasium) übertreten, die im ersten oder zweiten Semester der letzten Bezirksschulklasse die erforderlichen Noten haben. Wer diese Noten nicht erreicht,…